Montag, 22. Januar 2018

Erika von Thellmann und Mia Seeger

Zwei Schulfreundinnen machen Karriere

Sie trafen sich im Jahre 1914 zu Kriegsbeginn in der Mädchenrealschule Cannstatts, als Erika von Thellmann mit ihren Eltern aus Dubrovnik zur Großmutter nach Cannstatt geflüchtet war. Auch die in Cannstatt geborene Mia Seeger lebte in der Nähe ihrer Großmutter Lina Daimler in Cannstatt. Die beiden Mädchen wurden Freundinnen und blieben es ihr Leben lang. Es verband sie von Anfang an viel. Beide wuchsen mit einer jüngeren Schwester auf und beide Väter waren Offiziere. Beide interessierten sich schon sehr für die Kunst und machten auf diesem Gebiet als emanzipierte Frauen Karriere. Zu dem war sicher beiden Eleganz und Disziplin in die Wiege gelegt. So verwundert es nicht, dass sie im Alter in der Öffentlichkeit jeweils zur „Grand Dame“ erhoben wurden. Und nicht zuletzt wurden beide unter ihrem Geburtsnamen berühmt und behielten diesen bis zu ihrem Tode. 

Erika von Thellmann ( geb. 31. August 1902, gest. 27. Oktober 1988) - Schauspielerin
Mia Seeger( geb. 9. Mai 1903, gest. 14. Mai 1991) - Künstlerische Beraterin für Design



Mia Seeger erhielt Privatunterricht bei Albert Müller, einem Maler aus dem Hoelzelkreis. brach dann das Studium an der Württembergischen Kunstschule in Stuttgart schon 1922 wegen Unzufriedenheit ihrerseits mit einem der Lehrer ab.

Im Haus der modernen Kunst traf sie Gustav Stotz, den Geschäftsführer des württembergischen Büros des Deutschen Werkbundes. Als seine Mitarbeiterin wurde er für sie der weichenstellende Lehrer für ihr Leben im Zeichen des Designs. In den 20er und 30er Jahren arbeitete sie mit allen angesagten Künstlern und Architekten wie Mies van der Rohe und Walter Gropius. Bei der berühmten Stuttgarter Werkbundausstellung „Die Wohnung“ 1927 rund um die Weißenhofsiedlung war „Fräulein Seeger“ für die Pressearbeit zuständig und machte sich als „Mädchen für alles“ unentbehrlich. Mit viel Lob ausgestattet und durch das erworbene Wissen gestärkt begann sie, wie sie selbst sagt, „mit aller Selbstverständlichkeit ihren Platz in der Männergesellschaft einnehmen“.

1928 wechselte sie in die Werkbund-Zentrale nach Berlin und gestaltete mit Mies van der Rohe und Marcel Breuer deren Beitrag für eine Ausstellung in Paris sowie mehrere Triennalebeiträge in Monza und Venedig. Nach der Auflösung des Deutschen Werkbundes im Dritten Reich fand sie in Stuttgart Aufnahme beim Landesgewerbeamt und als Lektorin und Redakteurin beim Julius Hoffmann- Verlag.

1949 wird sie zum Vorstandsmitglied des neuen Deutschen Werkbundes berufen und als Präsidumsmitglied des Darmstädter „Rates für Formgebung“ drückte sie diesem in den Nachkriegsjahren ihren Stempel auf. Die maßgeblich von ihr aufgestellten Kriterien für die Formgestaltung von Produkten der deutschen Industrie beeinflussten das Bild, das man sich im Ausland von Deutschland machte und trugen zur Rehabilitierung des klassisch-funktionalen deutschen Designs bei. Frau Seeger, wie sie sich nach dem Tode ihrer Mutter nannte, war in den 50er und 60er Jahren mit all ihrer Professionalität die Instanz für die Auswahl dessen, was als gutes deutsches Design zu gelten hatte. Wofür sie 1967 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet wurde. Die in der Kunstwelt international vernetzte Autorin zahlreicher Publikationen zog sich in den 70 er Jahren aus dem „Rat für Formgebung“ zurück, da der Trend zur Kurzlebigkeit nicht mehr ihren puristischen Idealen entsprach. Nichtsdestotrotz war sie weiterhin in Gremien und Jurys tätig und wusste sich stets durch ihr Auftreten, ihren Stil und ihre enorme Kompetenz Respekt zu verschaffen. Der damalige Ministerpräsident Lothar Späth ernannte sie 1983 zur Professorin. Ihr Augenmerk lag zunehmend beim Nachwuchs und durch ihre 1986 gegründete Stiftung verbunden mit dem Mia-Seeger-Preis werden bis heute junge Designer und Wissenschaftler gefördert. Die Stadt Stuttgart würdigte die „Grande Dame“ des deutschen Designs nach ihrem Tode mit einer Straße in der Nähe der Weißenhofsiedlung.

Erika von Thellmanns schauspielerisches Talent wurde schon in der Schule entdeckt und die Lehrer rieten ihren Eltern zu einer Ausbildung in diese Richtung. Was kaum nötig war. Als 16 jährige Schülerin sprach sie Wilhelm von Scholz, dem damaligen Dramaturgen des Württembergischen Hoftheaters Stuttgart vor und ein paar Tage später hatte sie einen Vertrag als jüngstes Ensemblemitglied in der Tasche. 1919 spielte sie in Gerhard Hauptmanns „ Die versunkene Glocke“ die Rolle des Rautendeleins und wurde nach der erfolgreichen Premiere als Wunderkind gefeiert. 1922 holte sie Max Reinhardt ans Deutsche Theater nach Berlin, wo sie sich in Operetten und klassischen Bühnenwerken rasch einen Namen machte. Gastspiele führten sie in den 20er Jahren bis nach New York und ihre große Zeit als vielbeschäftige Schauspielerin im jungen Tonfilm begann in den 30er Jahren. An die 160 Filmauftritte kamen zusammen, im Nachkriegsfilm „Engel auf Erden“ spielte sie neben Romy Schneider und Jean-Paul Belmondo. Im Fernsehen trat sie in zahlreichen Rollen auf.

Nach einer kurzen Ehe mit dem Tenor Tino Pattiera heiratete sie 1935 den Sanatoriumsdirektor Dr. Helmuth Römer aus Calw-Hirsau pendelte fortan als Arztfrau und Mutter zwischen Provinz und Weltstadt Berlin. Zudem hatte sie zahlreiche Engagements an den großen deutschen Bühnen, wo sie als Spezialistin für verschrobene Charaktere galt und komödiantisch brillieren konnte. Zu ihrem 70. Geburtstag schrieb Hans Bayer alias Thaddäus Troll ihr eine bewundernde Hommage und bescheinigte ihr den „Charme der Grande Dame“. Sie verstarb am 27. Oktober 1988.

Am Donnerstag, 25. Januar findet die Eröffnung für den den dritten Teil der Ausstellung des Stadtmuseums statt und zwar zu Frauen in der Kunst. Ausstellungsort ist die Galerie Wiedmann.
Autorin: Helga Müller

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