Sonntag, 12. November 2017

Clara Ritter

Die süße Cannstatterin Clara Ritter

Am Samstag, den 11.November eröffnet das Stadtmuseum die neue Ausstellung zu Cannstatter Frauengeschichten. Eine „besonders süße“ ist die von Clara Ritter, geb. Göttle:

Um 1900 eröffnet ein „kleines, energisches Fräulein“ in der Cannstatter Bahnhofstraße ein Süßwarengeschäft. Dort können Reisende auf dem Weg zur Eisenbahn „e Schokolädle für unterwegs“ erstehen. Sie heißt Clara Göttle und wurde am 2. Dezember 1877 in Tomerdingen nördlich von Ulm geboren. Die Eltern führten das Gasthaus „Lamm“ und die acht Kinder mussten natürlich in der Landwirtschaft und Gaststätte helfen, manchmal auch auf Kosten des Schulbesuchs. Die Eltern wollten trotzdem allen Kinder die Möglichkeit zur Selbständigkeit bieten, und so durften Clara und ihre Schwester bei Feinkost „Gaissmaier“ in Ulm Verkäuferin lernen und als „Handelsmamsell“ arbeiten. Clara war besonders schnell und kreativ und auch risikofreudig.

Clara Ritter

Ein Schokoladengeschäft in der Badestadt Cannstatt war ein gutes Investitionsobjekt. Hier verkehrten die höheren Gesellschaftskreise und Schokolade war im 19. Jahrhundert zum Statussymbol der Aristokraten geworden. Das geschäftstüchtige Fräulein Göttle möchte als adrette Inhaberin in ihrem fein ausstaffierten Laden die wohlhabende Kundschaft erreichen und bietet dafür edel und verlockend ausgestellte und verpackte Köstlichkeiten an.

Passenderweise lernt sie den Konditor Alfred Ritter, den es als Sohn des Tierarztes Karl Ritter von Gammertingen in die Schokoladenmetropole Stuttgart gezogen hatte, kennen und lieben. Sie heiraten am 4. Juli 1912 und gründen kurz darauf die Schokoladen- und Zuckerfabrik Ritter. In der heutigen Sodener Straße) wird produziert und logiert. Der Hausflur diente als Warenlager und Sohn Alfred (geboren 1914) erinnert sich, dass seine Mutter ganz fürs Geschäft lebte; Einkauf, Verkauf, Kundschaft, Werbung hatten Vorrang, Haushalt und Kochen überließ sie bald zwei Hausangestellten.

Der freundliche Herr im weißen Arbeitsmantel war bei den Nachbarskindern überaus beliebt, fielen doch stets Versucherle und Schokoladenbruch für sie ab.

Nach einer kriegsbedingten Stilllegung starten die Ritters wieder durch und kaufen im Februar 1919 für 80000 Reichsmark ein Wohn- und Geschäftshaus in der Wilhelmstraße 16, das zum Stammhaus der Firma Ritter Sport wird. Sie haben Erfolg, bringen 1919 ihre erste eigene Kreation, die Kremschokolade Alrika (Alfred Ritter Cannstatt) auf den Markt, eröffnen weitere Geschäfte in der Marktstraße und der Bahnhofstraße und schaffen sich 1926 den ersten eigenen Verkaufslastwagen an.

1926 beschäftigen Alfred und Clara Ritter 80 Angestellte und weil die Produktionsstätte in der Wilhelmstraße zu klein wird, kaufen sie 1930 eine nach der Wirtschaftskrise stillgelegte Fabrik in Waldenbuch. Diese liegt direkt neben einem Sportplatz und Clara Ritter mit ihrem Blick für Kundenbedürfnisse erkennt, das der Schokoladen-Snack, den Sportler und Zuschauer sich auf dem Weg zum Fußball bei Ritters kaufen, eine ungünstige Form hat. „Machen wir doch eine Schokolade, die in jede Jackentasche passt, und die das gleiche Gewicht hat wie die normale Langtafel“. Damit war 1932 das Quadrat als Firmensymbol erfunden und eine Tafel Ritter’s Sport-Schokolade kostete vor dem Krieg 25 Pfennige.

Die Firma expandiert unaufhörlich, Clara Ritter jedoch bleibt bescheiden. Bis zu ihrem Tod steht die von ihren angestellten verehrte Seniorchefin jeden Tag in ihrem Lädle neben der Fabrik und braucht keinen Urlaub, denn ohne ihre Arbeit könnte sie es nicht aushalten. Dafür bekommt sie regelmäßig Besuch von Cannstatter Freundinnen. Den weltweiten Erfolg der Ritter-Sport-Schokolade kann sie aber nicht mehr miterleben. Sie starb am 15. März 1959.


Autorin: Helga Müller

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen