Der Start ins Leben eines kleinen Faultiers kommt einem Verwirrspiel gleich: für Besucher, Pfleger und Säugling. Nach einer Geburt Anfang April lässt sich das in der Stuttgarter Wilhelma jetzt gut verfolgen. Denn im langen zotteligen Fell der Mutter war der Neuankömmling in den ersten Wochen kaum zu entdecken. Inzwischen steckt der Junior immer öfter sein Köpfchen hervor – und wundert sich bisweilen, wo er ist. „Das Jungtier hat sich am Anfang nachts verlaufen“, berichtet Tierpfleger Thomas Rapp. „Statt auf der Mutter ist es morgens auf dem Vater aufgewacht. Als der sich aber verhältnismäßig schnell bewegt hat, wollte das Kleine gleich wieder zur Mama.“ Sonst klappt es natürlich auch nicht mit dem Säugen. Seinen Pflegern gibt es noch ein Rätsel auf: Ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, ist bislang unklar – und wird es wohl auch eine Weile bleiben. „Das Geschlecht ist bei Faultieren schwer zu erkennen“, erklärt Rapp, „manchmal wissen wir ein ganzes Jahr lang nicht, woran wir sind.“ Das ist allerdings für die Tierpflege auch erst einmal nachrangig, solange es dem Kleinen gut geht.
Völlig normal ist dagegen für den Nachwuchs die in der Tierwelt sonst seltene Position, dass der Säugling oben auf dem Bauch der Mutter liegt, weil die nämlich fast den kompletten Tag kopfüber von Ästen hängt. Dieser relaxt wirkende Lebensstil ist zugleich Tarnung und Energiesparmodus der Faultiere. Wer sich wenig bewegt, den entdecken Fressfeinde nicht so leicht, und der reduziert seinen Kalorienbedarf. Das ist gut für die Faultiere, die sich von nährstoffarmen Blättern und Blüten ernähren. Diese Kost genügt ihnen, weil ihre Verdauung extrem langsam verläuft und die Nahrung gründlich verwertet. Deshalb müssen sie die Bäume meist nur einmal pro Woche verlassen, um ihr Geschäft am Boden zu verrichten.
Das Zuchtpaar der Wilhelma ist recht fruchtbar. Dies ist nun schon das elfte Jungtier von Mike, der seit 1994 im Zoologisch-Botanischen Garten in Stuttgart lebt, und Marlies, die 2001 hinzukam. Sie sind mit ihrem Sprössling im Jungtieraufzuchthaus zu sehen, wo sie sich das Gehege mit einem Goldkopflöwenäffchen, einem Weißgesichtseidenäffchen und Steißhühnern teilen. Auch wenn die einzelgängerischen Zweifingerfaultiere solche Gesellschaft mögen, vertreiben sie ihren Nachwuchs ab einem gewissen Alter. Daher ist ihre 2014 geborene Tochter Edeka inzwischen in das Amazonienhaus umgezogen in eine Wohngemeinschaft mit den Weißkopfsakis. In das Biotophaus passt sie hervorragend hinein, denn Faultiere sind im tropischen Regenwald des Flach- und Berglands Südamerikas beheimatet.
Foto: Wilhelma |
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