Mittwoch, 29. März 2023

D'r ede vrzählt (5) - Erich Schmeckenbecher

Erich Schmeckenbecher - der Zugpfeifenhansel

Erich Schmeckenbecher wird am 31. März 70 Jahre alt. Erich wer? wird sich mancher fragen. Besser bekannt ist der gebürtige Cannstatter als eine Hälfte des Duos Zupfgeigenhansel. Zusammen mit Thomas Friz erspielte er sich in den 70er und 80er Jahren über die Landesgrenzen hinaus einen sehr guten Ruf in den Folkszene. Knapp eine Million Tonträger verkaufte das Duo.

Zupfgeigenhansel gilt als Wegbereiter für ein neues Volkslied-Empfinden. Wobei Musikantenstadl und Volkslied nicht viel gemein haben, betont der Cannstatter, der inzwischen in Lorch lebt und für sein Album „Leben ist Poesie“ zum 30-jährigen Bühnenjubiläum den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt. Für Schmeckenbecher hat Volkslied überhaupt nichts mit Heimattümelei und Unkritischem zu tun. Mit einem kleinen Buchstabentausch wird aus Volkslied schnell Volksleid. Die Lieder seien von Menschen gesungen worden, denen das Leben schwer gemacht wurde und die auf eine bessere Zukunft hofften.

Gewachsene Lieder, die er und sein kongenialer Partner Thomas Friz mit dem Duo Zupfgeigenhansel 1972 wiederbelebten. Ein Versuch, der von anderen erst sehr skeptisch beurteilt, dann aber mit riesigem Erfolg belohnt wurde. „Wir haben die Lieder mit Offbeat kombiniert“, erklärt Schmeckenbecher. Dadurch entstand Folk-Musik in Deutschland, wie sie in den USA bereits seit den 60er-Jahren populär war. Die Szene war begeistert und diese war in den 70er-Jahren sehr groß. „Volkslieder I“ war das erste Album, das 1976 erschien, fünf weitere folgten. Den größten Erfolg feierte das Duo mit einer Schallplatte mit jiddischen Liedern – obwohl beide mit der jüdischen Kultur nichts zu tun hatten. Doch die Resonanz war wieder enorm. „Wir haben sogar Zuspruch von der jüdischen Gemeinde in New York bekommen“, erinnert sich Erich Schmeckenbecher.

Dem Mann sitzt der Schalk im Nacken und blitzt ihm aus den Augen. Erich Schmeckenbecher ist nicht nur ein begnadeter Musiker – er singt, spielt unter anderem Akkordeon, Gitarre, Mandoline und Mundharmonika – sondern auch ein überaus kritischer Geist. Was dem überzeugten Romantiker - er hat tonnenweise Bücher über Romantik verschlungen - überhaupt nicht passt, ist die Kommerzialisierung des gesamten Lebens. „Pragmanten“ nennt er eindimensionale Materialisten, denen es nur um Kommerz geht, aber nicht ums Wesentliche. „Die haben den Schuss nicht gehört.“ Sein bitteres Fazit zu verlogenen Auswüchsen, die er auch im Kulturbetrieb registriert: „Wahr ist, was nutzt“. Schmeckenbecher setzt mehr auf den Hinter-den-Vorhang-schauen.

Der Musiker, Komponist, Produzent und Texter sieht sich auch als politischen Menschen, „aber nicht parteipolitisch“. Es gebe nichts Besseres als Demokratie. „Aber die muss erarbeitet werden.“ Mehr von „wir bräuchten“ statt „ich will“. Man müsse die Vernunft wieder zur Vernunft bringen. Er trennt nicht zwischen Bühnen- und Privatmensch. Schmeckenbecher ist immer Schmeckenbecher. Ein wohlklingender Künstlername kam daher nicht in Frage.“ Ich bin auf Augenhöhe mit meiner eigenen Identität.“ Gerne bringt er Licht ins Dunkel. „Denn die im Dunkeln mag ich nicht.“ Natürlich sei er ein Weltverbesserer, „das sollten alle sein“.

Er hat die Klezmer-Szene mitangestoßen, sich mit Erich und das Polk der Polka angenommen, sich einen Namen mit Vertonungen von historischen Texten sowie mit Melodien zu Gedichten von Heine, Goethe, Schiller oder Graßhoff gemacht. „Ich habe ein Faible, über die Welt zu philosophieren, nachzudenken.“ Oder zu musizieren - sein künstlerisches Output.

Zum 30-jährigen Bühnenjubiläum 2004 hat er ein großes Fest im Theaterhaus auf die Beine gestellt mit illustren Gästen wie Hannes Wader, Konstantin Wecker, Klaus Lage, Lydie Auvrey und Liederjan. Seinen 60. Geburtstag hat er daher ruhig gefeiert. Zu seinem 70. Geburtstag werden zwei seiner Alben, „Vogel Sehnsucht“ und „Aquarium“, neu veröffentlicht. Außerdem haben sich 50 Musiker aller Genres an dem Projekt „A Tribute To Zupfgeigenhansel“ beteiligt, das ebenfalls zum 31. März erscheint. Darauf werden die bekanntesten Songs des Duos neu interpretiert. Teilweise „stilecht“ „folkig“ teilweise auch von Bands aus ganz anderen Genres: Die Punker von NoRMAhl zum Beispiel haben sich das „Waldfest“ vorgenommen, Die Historocker von Feuerschwanz „Es wollt ein Bauer früh aufstehn“. Ein Song darauf stammt nicht von Erich & Co: „Zupfe Hansel Deine Geige“, getextet vom Publizisten Edi Max komponiert von Fabian Mroz a.k.a Mr Fabulous, der auch bei den großen Zupfgeigenhanse-–Konzerten am 22.und 23. Oktober 2022 in Lorch dabei war. Interpretiert von „Steffi und den Allgäuer Liedermachern“ würdigt das Werk der beiden auf ganz eigene Art.

Erst im vergangenen Jahr war eine Werkausgabe zum 50. Jubiläum von Zupfgeigenhansel veröffentlicht worden, die vom Musikmagazin MusiX als „beste Veröffentlichung des Jahres“ bezeichnet wurde. „Miteinander: 50 Jahre 70 Lieder“ erschien auf drei CDs, unterteilt nach Studioaufnahmen, großen Konzerten und Auftritten in kleinen Clubs. Nach Langspielplatten und CDs läuft die Musik von Zupfgeigenhansel mittlerweile auch im Internet. Innerhalb nur eines Jahres wurde ihr Lied „Ich bin Soldat doch bin ich es nicht gerne“ rund drei Millionen Mal auf Spotify oder Youtube aufgerufen – wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

Ans Aufhören denkt Erich Schmeckenbecher nicht. Weitere musikalische Projekte stehen bereits an. Und so darf man hoffen, dass man von Erich Schmeckenbecher in Zukunft weiter Neues hört, er keine Ruhe geben wird und sich zu Wort meldet.


                                           Alles Gute Erich Schmeckenbecher.

2 Kommentare: