Mittwoch, 27. September 2017

Tony Buddenbrook

Die Geschichte der Maria Elisabeth Amalia Haag, geb. Mann

Das Stadtmuseum Bad Cannstatt eröffnet am 10. November eine neue Ausstellung zum Thema: Frauen aus Cannstatt. Unter Cannstatts berühmten Frauen ist auch Maria Elisabeth Amalia Haag, die als Tony Buddenbrook ein weltberühmte Romanfigur wurde.


1870 bezog das Ehepaar Gustav und Elisabeth Haag, geb. Mann mit Töchterchen Alice ihre neue Wohnung in der Nobelgegend, Pensionopolis genannt, heute Ecke Kreuznacher Straße/ Wildbader Straße. Ihr Sohn Henry kam 1871 hier zur Welt.

Sie, eine elegante, kultivierte und standesbewusste Frau aus bester Lübecker Familie stammend, er, eher hölzern wirkend aus einer Kaufmannsfamilie aus Esslingen.

Thomas Mann hat für seinen 1901 erschienen und mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Roman „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“ seine Tante Elisabeth Haag als Vorlage für die berühmte, auf Etikette so viel Wert legende Tony Buddenbrook genommen. Ihr Lieblingssatz „das putzt ungemein“ charakterisiert sie trefflich.

Elisabeth Mann wurde 1838 in Lübeck geboren und heiratete 1857 aus Gehorsam den Eltern gegenüber den ungeliebten Kaufmann Ernst Ehlfeld. Nach dessen Bankrott verließ sie ihn 1861, zog zurück zu den Eltern und wurde schuldig geschieden. Im Roman heißt Ehlfeld Bendix Grünlich und entpuppt sich als windiger Kaufmann, so schleimig wie betrügerisch.

Um als geschiedene Frau der Lübecker Gesellschaft zu entkommen, besucht Elisabeth Haag 1864 eine Bekannte, Johanna Chelius,, in Esslingen und wird prompt von ihr mit dem schon älteren Gustav Haag aus der Bahnmayerschen Eisenwarenhandlung verkuppelt. Die Hochzeit im April 1866 in Lübeck sollte den Makel der Scheidung tilgen.

Nach den ersten Jahren in Esslingen versuchte sich Haag ab 1869 in Stuttgart als Kaufmann und Weinhändler, allerdings ohne Erfolg. Die Firma wurde geschlossen und die finanzielle Lage der Familie prekär, die Stimmung immer angespannter. Zumal Elisabeths gemütskranker Bruder Friedrich Heilung in Cannstatt suchte und zeitweise mit ver- und umsorgt wurde. (Er stand Thomas Mann Pate für Tonys Bruder Christian Buddenbrook). Das Cannstatter Familienleben nahm unerträgliche Formen an, der Ehemann wurde zunehmend aggressiv, der Sohn nannte ihn einen „Grobian“, der Frau und Kinder tyrannisierte und mit Geschirr um sich warf. Als er wegen seines Bankrotts eine Gefängnisstrafe in Stuttgart verbüßte, erreichte ihn dort die Scheidungsklage Elisabeths, weil er „wiederholt mit prostituierten Dirnen geschlechtlich verkehrt“ haben soll. Die Scheidung erfolgte 1881.

Im Roman ist es der Münchner Hopfenhändler Alois Permaneder, der Tony bald nach der Hochzeit als wenig ehrgeizig und desinteressiert enttäuscht, den sie schließlich bei einer sexuellen Übergriffigkeit mit der Köchin Babette erwischt. Und der sie mit einer verbalen Beleidigung, die ihr nicht über die Lippen kommen will, zutiefst verletzt:

„Geh zum Deifi, Sauludr deckats“.

Nach der Scheidung zog Elisabeth Haag nach Dresden, wo der Musiker Carl Gramnn, ein entfernter Verwandter aus Lübeck lebte. Ihr Sohn Henry war zeitlebens in ihrer Nähe und nahm sich nach ihrem Tod 1917 im Jahr 1920 das Leben. Auch die Tochter Alice entging einer Scheidung nicht, sie saß ebenfalls einem Versicherungsbetrüger auf.

Thomas Mann gestaltete Tony Buddenbrook als eine Frau mit unverwüstlicher Natur, gepaart mit Naivität, aber auch Humor, die Schicksalsschläge fast unbeschadet übersteht. Nach anfänglicher Abwehr fand sie Gefallen an der Figur und ließ sich als gern gesehener Gast im Familienkreis Tante Tony nennen und bezeichnete sich selbst als eine „vom Leben gestählte Frau“.

Autorin: Helga Müller

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