Die Geschichte von Bad Cannstatt Teil II
Cannstatts Stadterhebung - von Eberhard Köngeter
Älteste Stadtansicht "Kantstat" aus H. Schäufelins "Abconterfectur des löblichen Fürtenthumbs Wirtemberg", um 1540 |
Der Weg von der Idee einer Stadtanlage bis zur vollendeten Stadt ist lang. Eine gewisse Siedlungskonzentration im Bereich der späteren Stadt mag schon im späten 13. Jahrhundert in Gang gekommen sein, doch waren schon vor Baubeginn von Toren, Türmen und Mauern und dem Ausheben des sie umgebenden Grabens größere Grundstückstransaktionen durchzuführen. Auch mußte man Handwerker und Kleinhändler, die neben schon ansässigen Bauern und Weingärtnern die früheste Stadtbevölkerung ausmachten, wenigstens zum Teil aus anderen Städten zu einer Übersiedlung veranlassen. All diese zeitraubenden Vorgänge passen aber kaum in die fünf Jahre zwischen Eberhards Tod und die seinem Sohn Graf Ulrich III. von Kaiser Ludwig dem Baier am 11. Dezember 1330 ausgestellte Urkunde. Zwar wird Cannstatt 1324 noch als Dorf ("by dem dorf ze Kannestat) bezeichnet, doch mögen viele erwähnten Maßnahmen schon in vollem Gang gewesen sein. Als Stadt wird Cannstatt erstmals am 28. Juni 1330 in einer Privaturkunde genannt; in ihr kommen ein Cannstatter Richter und ein Cannstatter Bürger vor. Damit war also Cannstatt schon im Sommer 1330 volle Stadt mit (fast) allem, was eine Stadt vom Dorf unterscheidet: Es hatte Befestigungen, städtisches Recht, Bürger und ein Richterkollegium. Nicht durch die kaiserliche Urkunde, sondern durch den Willen des Landesherrn, des Grafen Ulrich III. und vielleicht schon seines Vaters, wurde Cannstatt Stadt. Mit der Urkunde Kaiser Ludwigs wurde nur noch der Schlußpunkt unter eine schon abgeschlossene Entwicklung gesetzt." Die Stadterhebung als Privilegiengewährung in der großen
machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen dem Papst und dem Kaiser. Seit der Epoche der Staufer haben die Römischen Päpste immer wieder den Kirchenbann als machtpolitisches Instrument gegen Deutsche Könige und Kaiser eingesetzt. Dieser päpstliche Strafbefehl beinhaltete die Absetzung und die Exkommunikation des Deutschen Königs und die Entbindung seiner Untertanen aus ihrem Treueeid. Untertanen, die den Bann mißachteten, drohte der Verlust ihres Seelenheils, das Fegefeuer und die ewige Verdammnis.
Zum ersten Mal wurde der Salierkönig Heinrich IV. mit dem Kirchenbann belegt.
Nur durch seinen Bußgang nach Canossa im Jahr 1077 konnte sich Heinrich aus dieser degradierenden und autoritätszersetzenden päpstlichen Ächtung lösen.
Als König Ludwig IV. Rechte des Reiches in Oberitalien einforderte, ließ der in Avignon residierende Papst Johannes XXII. eine Anklageschrift gegen den späteren Kaiser am Domportal des Papstpalastes anbringen. In einem sich daran anschließenden Kirchenprozeß wurde Ludwig 1324 für abgesetzt erklärt, mit dem päpstlichen Bann belegt und bis zu seinem Lebensende von der Kirche exkommunziert. Als einer der wenigen Territorialherren widersetzt sich Graf Ulrich III. von Württemberg dem von Papst Johannes XXII. ausgesprochenen Kirchenbann und hält treu zu König Ludwig IV.
Für seine Opposition gegenüber dem Papst, seinen Mut und seine Treue wird er im Jahr 1330 vom Kaiser mit der Landvogtei über Schwaben und über das Elsass belohnt. Noch im selben Jahr verleiht der Kaiser - sicherlich dem Wunsch und dem Willen Ulrichs III. folgend - in einer Urkunde dem gräflichen Cannstatt städtische Privilegien. Die Erhebung Cannstatts zur Stadt kann somit durchaus auch als historischer Mosaikstein in die über Jahr-hunderte andauernde große machtpolitische Auseinandersetzung zwischen dem Römischem Papsttum und dem Deutschem Kaisertum eingeordnet werden.
Die Verleihungsurkunde von 1330
Die Erhebung Cannstatts zur Stadt erfolgte durch eine am 11. Dezember 1330 in Innsbruck ausgestellte kaiserliche Verleihungsurkunde. Sie wird im Original beim Hauptstaatsarchiv in Stuttgart verwahrt und ist zu Anfang dieses Beitrags abgebildet.Ihr Übersetzungstext lautet:
"Wir Ludwig von Gots gnaden Römischer Chayser zu allen Ziten Merer dez Richs verjahen offenbar an disem Brief, daz wir durch besunder Gnad und Gunst, so wir haben zu dem Edlen Manne Ulrich, Graven zu Wirtemberg unserem lieben Landvogt in Elsazzen im gefrit haben, und och ehafften und rigen von unserer Chayserlichen Gewalt mit dieem gegenwärtigen Brief die Stadt zu Chanelstatt so, daz sie all die Recht Ere und gut Gewohnheit haben sulle und möge als unser und dez Richs Stat zu Eßlingen. Wir wöllen och durch besunderen Vride und nutz derselben Stat, daz sie den Lantag den sie habent vor der Stat, in der Stat haben sullen und mögen von unserer vollen Gewalt uf den Tag, als er her von alter vor der Stadt gewesen ist." usw.
Bemerkenswert am Text dieser Urkunde ist, daß darin Cannstatt schon als Stadt bezeichnet wird. Genau genommen war Cannstatt somit schon vor 1330 "Stadt". Vielleicht durch die Privilegien, die König Rudolf I. von Habsburg im Jahr 1286 Cannstatt verliehen hat. Verliehen wird in der "Stadterhebungsurkunde" auch das in der dem Kaiser unterstehenden Freien Reichsstadt Esslingen gültige Stadtrecht einschließlich Zunftgerechtigkeit und Magistratsverfasssung. Desweiteren durfte der bisher außerhalb tagende Landtag nun innerhalb der mit Mauern und Stadttoren (Brückentor, Schmidener Tor, Waiblinger Tor) gesicherten Stadt abgehalten werden.
Noch auf eine weitere Besonderheit, die sich aus dem Ausstellungsdatum der Urkunde ergibt, sei hingewiesen: Von 1327 bis 1330 hat sich der Kaiser in Italien aufgehalten. Zweck dieses nahezu 3-jährigen Aufenthalts waren die diplomatischen und militärischen Bemühungen, die universale Reichsidee eines "Heiligen Römischen Reichs" nach dem Untergang der Staufer in Italien wiederherzustellen, was ihm aber nur bedingt gelang.
Wer war nun dieser Kaiser und welche zeitgeschichtliche Epoche gestaltete er wesentlich mit?
Wir vertrauen hier auf das Urteil unseres Landeshistorikers Herrn Prof. Quarthal:
"Kaiser Ludwig IV. (1294/1314 – 1347) genannt "der Bayer" nimmt einen ersten Platz ein in der Ahnengalerie der "bayerischen Helden". Über viele Jahrhunderte war er eine Identifikationsfigur der bayerischen Geschichte: als erster Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, als Förderer der Städte, als Mehrer des bayerischen Herzogtums und nicht zuletzt als standhafter Kämpfer gegen päpstliche Machtansprüche . . .
In der öffentlichen Wahrnehmung findet die Phase zwischen dem Ende der Stauferherrschaft und dem Kaisertum des prächtig in Prag residierenden Karl IV. wenig Beachtung. Doch vieles, wofür Ludwigs Nachfolger gerühmt wurde, geht bereits auf die Zeit des Wittelsbachers auf dem Kaiserthron zurück. Damals lag Bayern im Blickpunkt Europas. Es war die Zeit, in der grundlegende Neuerungen das überkommene Weltbild in Frage stellten, in der neue gesellschaftliche Gruppen Einfluß auf das Spiel der Mächtigen nahmen, eine Zeit, in der manches seinen Anfang nahm, das die moderne Welt heute prägt." Nach seiner Rückkehr aus Italien zu Anfang des Jahres 1330 konzentrierte sich der Kaiser offensichtlich auf die Ausweitung seiner Hausmacht und die Konsolidierung seines Kaisertums durch die Verleihung von Privilegien an den Adel und an die Städte und das Eingehen von Koalitionen und Bündnissen mit den Deutschen Territorialfürsten. Unsere Stadterhebungsurkunde vom 11. Dezember 1330 spiegelt diese neue kaiserliche Politik beispielhaft wieder.
Cannstatt um 1330: mit der romanischen Stadtkirche, dem Brückentor, dem Schmidener Tor, der Stadtmauer, der Mühle an der Sulzquelle , dem Sulzbach und der Burg zum Stein (aus Festbilderbogen 500 Jahre Stadtkirche)
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