Die Geschichte von Bad Cannstatt Teil III
Die Geschichte der Cannstatter Kirchen - von Eberhard Köngeter
Bereits zwischen 650 und 700 wurde auf dem heutigen Steigfriedhof die St. Martinskirche errichtet, die als Urkirche für den gesamten Mittleren Neckerraum angesehen werden kann. Jahrhunderte davor befand sich hier in Sichtweite des Kastells ein Sanktuarium, ein römisches Heiligtum. Eine erste karolingische Basilika als Vor-Vorgängerbau der heutigen Stadtkirche wurde wohl auf Geheiß Karls des Großen errichtet, der hier an seinem Königshof im Jahr 777 einen Schutzbrief zugunsten des Klosters Hersfeld beurkundet hat. In seinem Kirchenführer über die Stadtkirche berichtet der frühere Stadtpfarrer Dr. Karlheinz Bartel über die ersten Cannstatter Kirchen folgendes:
Wann auf dem Platz der heutigen Stadtkirche, einer spätgotischen Hallenkirche, der erste Kirchbau entstand, kann nicht genau angegeben werden. Bei der Renovierung der jetzigen Kirche in den Jahren 1960 – 1962 durch Prof. Paul Heim stieß man beim Graben der Heizungskanäle auf verschiedene Fundamente unter dem Fußboden. Sie wurden genau vermessen und wieder zugeschüttet. Es ergab sich, daß unsere Stadtkirche zwei Vorgängerinnen (aus Stein) hatte. Die erste Kirche entstand in karolingischer Zeit. Die zweite war eine romanische Kirche.
Beim Auswerten der Meß-Ergebnisse zeigte sich, daß alle 3 Kirchen auf denselben seitlichen Fundamenten errichtet waren, mit derselben Breite der drei Schiffe und dem Rhythmus der Pfeiler. Prof. Heim fiel auf, daß der gefundene Grundriß des karolingischen Baues identisch war mit der Einhards-Basilika in Steinbach bei Michelstadt im Odenwald. Nur der Atriumsbereich war etwas verlängert gegenüber dem in Steinbach.
Da der Mönch Einhard Architekt Karls des Großen war (später auch dessen Chronist) und die Kirche neben einem karolingischen Königshofe in der Spreuergasse lag, kann man fast mit Gewißheit davon ausgehen, daß Karl der Große (um 800) den Bauauftrag erteilte und Einhard der Erbauer unserer ersten Stadtkirche war. Sie war damals eine Herren- oder Eigenkirche und in Form einer Basilika gebaut. Sie war den Märtyrern Cosmas und Damian geweiht.
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Blick vom Neckarufer auf die karolingische dreischiffige Basilika mit Westwerk, Apsis, Seitenschiffen und Seitenkapellen. dem Westwerk vorgelagert ist ein ummauertes, kreuzgangähnliches Atrium mit einem Eingangstorbereich und einem Brunnen in der Mitte |
Bereits um 1070 umfaßte dieser ursprünglich karolingische Kirchenbau ein ca. 16,4 m langes und 7,30 m breites Mittelschiff, das von je sieben Säulenbögen getragen wurde. Ergänzt wurde diese Kirchenhalle von einer Apsis und von zwei Seitenschiffen, für eine weitere Überhöhung sorgten der Turm an der Westseite und die zwei Zwillingstürme an der Ostseite der frühromanischen Pfeilerbasilika. Kern der Kirche ist um 1320 immer noch die dreischiffige Basilika, deren Hauptschiff durch die romanischen Viereckpfeiler, die Kapitelle, die Rundbogenportale und die hölzerne Kassettendecke beeindruckt. Die beiden viereckigen romanischen steinernen Zwillingstürme an der Ostseite der Kirche sind um diese Zeit um je ein hölzernes Fachwerkgeschoß und um je zwei Spitzturmaufsätze überhöht worden. Auch der Einzelturm des in der Romanik traditionell mächtigen Westwerks (unteres Bild: Turm rechts) wurde nochmals in der selben Weise wie die Zwillingstürme mit Fachwerkgeschoß und Spitzturmaufsatz aufgestockt.
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Blick von der Neckarseite auf die in den Jahren 1169 – 1182 erbaute romanische Stadtkirche (Jahreszahlen nach Dr. Hagel) links davon die Mühle an der Sulzquelle (aus Festbilderbogen 500 Jahre Stadtkirche)
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Die epochale Veränderung fand jedoch an der Ostseite statt: Die bisherige bescheidene romanische Apsis wird abgebrochen. An ihrer Stelle wird ein erhöht liegender, das bisherige Hauptschiff überragender frühgotischer Chorraum errichet. Die optische Wirkung ist gewaltig: Das bisherige Kirchenschiff wird um nahezu ein Drittel verlängert, mit den raumhohen filigranen Spitzbogen-Fenstern gelangen Licht, Helligkeit und Glanz in den erweiterten Kirchenraum. Das nach oben strebende Kreuzrippengewölbe löst die romanische Flachdeckenkonstruktion ab. Die neue Architektur führt den Blick der Gläubigen nun nach oben in Richtung Himmel und in Richtung Paradies. Ein neuer sensationeller Baustil – die Gotik – hat Einzug in Cannstatt gehalten. Er wird seine Vollendung mit der von Aberlin Jörg in den Jahren 1460 bis 1471 erbauten gotischen Hallenkirche – unserer heutigen Stadtkirche – finden. Das frühere Fischerdorf am Neckar mit seinem christlichen Holzkirchlein aus dem 6. Jhd. und der alamannischen St. Martinskirche auf der Steig ist nun auch architektonisch zur Stadt herangereift. Die Stadtkirche bestand – vermutlich als Eigenkirche des alamannischen Herzogs und später der Karolinger – wahrscheinlich bereits um 800. Der Schluss-Stein in der Stadtkirche zeigt die beiden Kirchenheiligen Cosmas und Damian, einem Ärzte-Brüderpaar aus Byzanz. Die Kirche wurde wohl wegen der Nähe der heilenden Quellen den beiden Schutzpatronen der Ärzte und Apotheker geweiht. (aus Dr. Hagel: Cannstatt und seine Geschichte)
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