Donnerstag, 2. Juni 2016

Tierische Computerliebe

Orang-Utans flirten übers Netz

Zwei der Orang-Utan-Damen aus der Wilhelma sollen künftig in anderen Zoos zum Erhalt der extrem seltenen Menschenaffenart beitragen. Im Zoologisch-Botanischen Garten Stuttgart war der Nachwuchs ausgeblieben. Bei der Partnervermittlung halfen erstmals Videos, mit denen im Vorfeld getestet wurde, ob sich das vorgesehene Zuchtpaar auch sympathisch ist. Die Zeichen stehen gut: Sinta und Conny zeigten sich interessiert an ihren „Zukünftigen“, als die Tierpfleger ihnen beim „Video-Dating“ Filmschnipsel der jeweils in Frage kommenden Orang-Utan-Männer zeigten.
Foto: Wilhelma
„Ob es vor Ort dann Liebe auf den zweiten Blick wird, müssen wir abwarten“, sagt Marianne Holtkötter, Kuratorin für Menschenaffen in der Wilhelma. „Für Orang-Utans spielt das Aussehen bei der Partnerwahl offenbar wie bei uns Menschen eine wichtige Rolle. Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) forscht dazu noch. Für uns ist es zumindest ein zusätzlicher Anhaltspunkt, ob es etwas werden kann mit den jeweiligen Zuchtpartnern.“ Auf Empfehlung des EEP ist Sinta am Dienstag, 31. Mai 2016, nach Belgien gereist und inzwischen gut angekommen. Der Zoo Pairi Daiza, 60 Kilometer südwestlich von Brüssel, baut eine Orang-Utan-Haltung auf und hat dafür eine große Anlage mit mehreren Innen- und Außengehegen errichtet. Sie bieten Platz für zwei Zuchtgruppen, deren Mitglieder auch ausgetauscht werden können. In ihrer Heimat, den südostasiatischen Regenwäldern, sind die rothaarigen Menschenaffen oft allein unterwegs und schließen sich nur zeitweise mit Artgenossen zusammen. „Idealerweise können sich Orang-Utan-Frauen ihren Mann aussuchen“, so die Kuratorin. Für Sinta auserkoren ist Gempa, der auf EEP-Empfehlung aus dem Zoo Prag nach Belgien kommt. Auch er fand Sinta im Video ansprechend.

In Pairi Daiza gibt es jedoch zwei geschlechtsreife männliche Partner: Einen älteren mit den typischen Backenwülsten, die dominante Orangmänner kennzeichnen, und den jüngeren Gempa, der dieses Merkmal noch nicht ausgebildet hat. „Offenbar finden viele Weibchen die Backenwülste attraktiv“, berichtet Holtkötter. „Aber auch die Männer ohne Backenwulst haben manchmal Erfolg bei der Fortpflanzung. Sie sind in der Wildnis freundlicher und sanfter im Umgang mit den Weibchen. Die mit Backenwulst dagegen sind oft sehr grob, manchmal sogar brutal.“

Sinta wurde 1994 im Tierpark Hagenbeck in Hamburg geboren, aber von ihrer Mutter abgelehnt. Eine andere Orang-Frau der Gruppe hat sie aufgezogen. Sinta kam 2007 zur Zucht in die Wilhelma, hat sich mit dem Stuttgarter Orang-Mann Moritz immer wieder mal gepaart, aber nie Nachwuchs bekommen. Die Zoologen vermuten, dass der Misserfolg an Moritz lag. Nun gilt es abzuwarten, ob Sinta und Gempa wirklich so gut zueinander passen, wie das Video-Dating hoffen lässt. In der Wilhelma hat sie sich bei Veränderungen oft stur gestellt. Deshalb ist in Pairi Daiza Geduld gefragt.

Derzeit leben noch vier Orang-Utans in der Wilhelma. Für Conny ist vorgesehen, dass sie Mitte Juni in den Tierpark Hagenbeck wechselt. In Hamburg wartet auf sie der Orangmann Tuan.



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